Geleitwort von Hanna Schygulla, Schirmherrin des Projekts KINEMA.



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"Als ich in Braunschweig den im November 2007 zum ersten Mal neu ausgesetzten Preis der "Europa" in Händen halte und eigentlich gar nicht so recht weiß, wie ich die süße Last aus Bronze "nach Hause" – das heißt bei mir: "nach Paris" – bringe, da kommt ein Grüppchen von jungen Leuten auf mich zu, und sie tragen mir die Patenschaft an für ein Projekt der persönlichen Verständigung zwischen Jugendlichen diesseits und jenseits des Rheins und zwar durch den Austausch über gemeinsam erlebte Filme.


Da sage ich natürlich: "ja". Einmal, weil ich es immer schön finde, wenn auch die Jungen auf mich zukommen… Und dann aber auch, weil auch ich erfahrungsgemäß eigentlich nur das aus der Schatztruhe der Kultur für mich behalten kann, womit mich nicht nur ein Gedankenfaden, sondern auch ein persönliches Erlebnis – sozusagen auch vom Bauch her: "nabelschnurmäßig" – verbindet.


Bei mir kam es so, dass ich gleich nach der Reifeprüfung erst einmal als "fille au pair" nach Paris ging. Und die damaligen Chansons, die ich also beim Bügeln im französischen Haushalt oder aus der Musikbox in Pariser Kneipen gehört habe, klingen in mir noch heute nach... wie etwa, wenn Edith Piaf so unvergesslich singt: "dans la vie il n'y a qu'une morale, qu'on soit riche ou sans un sou, sans amour on est rien du tout". Aber auch – und noch ohne noch zu wissen, dass ich selber später einmal beim Film landen werde – die Spuren der damaligen Kinoerlebnisse wie Godards "Bande à part" oder wie Fritz Langs "Metropolis" sind in meinem späteren Schauspielerleben ebenfalls wieder sichtbar geworden.


Ja, ich glaube, das einzige, was uns Halt gibt im Strudel der täglichen Überdosis an Information ist die Verankerung im persönlichen Erlebnis. "Was das Herz berührt hat, das vergisst du auch nicht", so sagte mir eine alte Dame, als ich damals vor 25 Jahren in einem Gespräch mit ihr darüber klagte, wie wenig ich von dem behalten kann, was wir uns da täglich "reinziehen", und mir das alles "so wegfliegt", weil es eben zuviel ist. Und jetzt also bin ich die "alte Dame", die eben diesen Satz an die Jungen von heute weitergibt."

Hanna Schygulla, März 2008.